Oje, das habe ich nicht erwartet: als ich vor ca. 4 Monaten begonnen habe, die Website Briefmarken-Bilder.de aufzubauen, ging es mir darum, eine übersichtliche und gut strukturierte Briefmarken-Datenbank öffentlich zu machen, die die Briefmarken als Kultur-artefacte würdigt und dem gemeinen Philatelisten als hilfreiches Arbeitstool zur Seite steht. Dabei bin ich davon ausgegangen, dass „Briefmarken als amtliche Werke gemeinfrei sind“. Bei Wikipedia heißt es (bis heute steht das dort noch so): „Deutsche Briefmarken sind als amtliches Werk nach § 5 Abs. 1 UrhG gemeinfrei und können abgebildet werden.“ Quelle: Amtliche_Briefmarke_(Deutschland) – Absatz „Abbilden von Briefmarken“). Aber leider…
Was nun?
Nachdem ich nun heute in meinem tagSeoBlog beschrieben habe, wie ich beim Aufbau dieser Website vorgehe, habe ich von einigen Lesern den Hinweis bekommen, dass die Gemeinfreiheit der Briefmarken in Frage steht – oder sogar schon durch ein Urteil des Landgerichts Berlin gekippt wurde. Auslöser dieses Urteils war das Vorgehen der Loriot-Tochter, die wenige Tage nach dem Tod des Vaters nichts Besseres zu tun hat, als „ihr“ Urheberrecht einzuklagen und damit die Gemeinfreiheit von Briefmarken an sich zu kippen. Das Landgericht ist auf jeden Fall der Argumentation gefolgt, nach der Briefmarken eben doch nicht als amtliches Werk einzustufen seien, sondern als künstlerische Artefakte. Soweit würde ich dem auch folgen. Dass daraus allerdings nun abgeleitet wird, dass man Briefmarken nun nicht mehr öffentlich abbilden darf, halte ich für kompletten Blödsinn.
Fragen über Fragen!?
Was bedeutet das nun? Man muss im Grunde überall im Web alle Abbildungen von deutschen Briefmarken vernichten. Abgesehen davon, dass das sowieso nicht klappen wird: was für ein dramatischer Verlust von Kulturgut: Dann darf sich nur noch jemand Briefmarken anschauen, wer sie real besitzt? Muss man nun, wenn man Briefmarken öffentlich zeigen will, die Rechte jeweils einholen? Und wenn, von wem? Die deutsche Post ist ja nicht Urheber. Sie kann ja lediglich die Nutzungsrechte haben. Und wie kann man eigentlich die Rechteinhaber von längst verstorbenen Briefmarken-Gestaltern ermitteln? Für die, die das vorhaben: ich habe mal aus meiner Datenbank alle Designer/Gestalter herausgeholt.
Liste der Briefmarken-Künstler (BRD 1949 – 1988)
- A. und G. Haller
- Ackermann
- acon-Köln
- Ade
- Alfred Mahlau
- Amann
- André van der Vossen
- Antonia Graschberger
- Bagel
- Barth
- Baum
- Beat Knoblauch
- Beat Knoblauch und Paul Beer
- Bert Jäger
- Bentele
- Betemps
- Blank
- Blumenstein
- Blume-Zander
- Boehland
- Börnsen
- Bonnevalle
- Breker
- Bruckmann
- Buschfeld
- Busse
- Burkert
- Cordier
- Corinna Rogger
- Dario Martin Cánovas
- Dieter von Andrian
- Dietrich
- Dorothea Fischer-Nosbisch
- Ege
- Egon Falz
- Elisabeth von Janota-Bzowski
- Erich Meerwald
- Erna de Vries
- Ernst Jünger
- Ernst Kößlinger
- Erwin Poell
- Fackelmann
- Fassbender
- Fleckhaus
- Förtsch
- Förtsch und v. Baumgarten
- Fritz Fischer
- Gamroth
- Ganzenmüller
- Gasbarra Belli
- Gaßner
- Gerd Aretz
- Gerd und E. Aretz
- Georg Trump
- Georg Alexander Mathéy
- Gerhardt
- Göhlert
- Göttner
- Götzinger
- Goldammer
- Gonzague
- Graml
- Günter Jacki
- H. und S. Förtsch
- Haase
- Haflidason
- Hahn
- Hahn und Lemke
- Haller
- Hans Michel
- Hans-Peter Hoch
- Hans Joachim Fuchs
- Hansmann
- Heinz Schillinger
- Heinz und Hella Schillinger
- Helmut Lortz
- Herbert Stelzer
- Hermann Eidenbenz
- Hermann Zapf
- Hölzing
- Hoffmann
- Holm
- Huber
- Hubert Berke
- Huovinen
- Isolde Monson-Baumgart
- Jan Lenica
- J. und G. Bender
- Kefer und Münch
- Keidel
- Kern
- Klein
- Karlsson
- Karl Oskar Blase
- Kefer und Münch
- König
- Kohei Sugiura
- Kranz
- Krauss-Guyer und Schraml
- Kroehl
- Kühlborn
- Kurpershoek
- Lämmle
- Langer
- Langer-Rosa und Langer
- Larrivière
- Le Brocquy
- Leif Frimann Anisdahl
- Lichtwitz
- Lilo Fromm
- Linde
- Löffelhardt
- Lohrer
- Lorenz
- Ludwig
- Lüdtke
- Mahlstedt
- Marschler
- Max Bittrof
- Magnus
- Mavignier
- Michel und Kieser
- Monson-Baumgart
- Müller
- Müller und Blase
- Neufeld
- Noeth
- Oberberger
- Otto Rohse
- Paul Froitzheim
- Peter Steiner
- Peter Nitzsche
- Peters
- Piwczyk
- Platti
- Przewieslik
- Rahikainen
- Rastorfer
- Rau
- Regenstein
- Reinhart Heinsdorff
- Reinhold Gerstetter
- Rieger
- Rischka
- Rolf Lederbogen
- Rothacker
- Runge
- Sauer
- Schall
- Schardt
- Schlecht
- Schmitz
- Schnell
- Schwahn
- Schwarz
- Schwarzenbach
- Schraml
- Seiter
- Siegel
- Siegmund
- Sporer
- Spohn
- Spreen
- Staedler
- Stanik
- Stankowski
- Stefula
- Tröger
- Urban
- Veret-Lemarinier
- von Mannstein
- Vogel
- Walter
- Walter Brudi
- Weinert
- Werner Hans Schmidt
- Weyer
- Wiese
- Willberg
- Wöhrle
- Zeiler
Das sind bis hier hin 181. Mehr als die Namen habe ich in vielen Fällen aber auch nicht 🙁 Die Namen habe ich übrigens bei Wikipedia einzeln herausgesucht…
Und wie sieht das mit den Briefmarken der DDR aus? Und denen aus West-Berlin? Und mit den Briefmarken vor 1949? Die Urheber könnten ja theoretisch noch leben. Herrje…
Erst mal abwarten, schade…
Aufgrund der unklaren Lage werde ich die Website erst einmal nicht weiter ausbauen, sondern erst einmal abwarten. Wie gesagt: ich habe damit überhaupt nicht gerechnet und muss jetzt erst einmal verfolgen, wie sich die Rechtslage entwickelt und was die Post selber dazu sagt.
- RechtamBild-Blog: „Urheberrechtsschutz von Briefmarken“ (27.06.29011)
- RechtamBild-Blog: „Keine Loriot-Briefmarken bei Wikipedia“ (18.11.29011)
- Diskussion bei Wikimedia
- SpiegelOnline: „Streit um die Knollennase“ (17.11.2011)
Pingback: Exemplarischer Aufbau einer neuen “Feierabend”-Website (Briefmarken)
Sehr komische Sache mit diesem Uhreberrecht. Würde mich dann allerdings auch interessieren, wie es dann mit Büchern über Briefmarken aussieht und wie es mit dem Michel Briefmarken Katalog dann weiter geht. Da werden ja auch alle Marken abgebildet.
@Andreas: Ich schätze, der Michel-Katalog würde die Kosten auf die Käufer abwälzen, logisch. Ansonsten: keine Ahnung…
Ich glaube von der Entscheidung sind eher neuere Briefmarken betroffen. Das Gericht folgt ja u.a. der Argumentation, das die Post (die ja die Briefmarken herausgibt) kein staatliches Unternehmen mehr ist, sondern Privatwirtschaft. Deshalb scheint hier das „amtliche Werk“ wegzufallen. Briefmarken die aber noch im Amtsblatt veröffentlicht wurden, scheinen auch weiterhin als amtliche Werke zu gelten und sind damit gemeinfrei.
Aber das macht die Sache für eine solche Sammlung natürlich nicht einfacher, da ja immer noch im Amtsblatt recherchiert werden müsste. Und so richtig „rechtssicher“ ist so eine Interpretation natürlich auch nicht immer unbedingt.
Hier gibt es auch was dazu zu lesen (vielleicht nicht ganz uninteressant): http://bildjournalisten.djv-online.de/?p=578
Hi Christian,
Danke für die Einschätzung. Das wäre natürlich prima. Allerdings finde ich das unlogisch: warum sollte sich der Status der Briefmarken erst ab einem bestimmten Zeitpunkt ändern. Der künstlerisch ästhetische Wert ist ja gleich geblieben, ebenso ihre Funktion.
Nach meiner Einschätzung müsste die Post / das Fionanzministerium die Verträge mit den Künstlern von vorne herein so schließen, dass das Nutzungsrecht für die Abbildung der Marken unbeschränkt gemeinfrei ist oder so ähnlich. Natürlich mit der Einschränkung, dass man Briefmarken nicht „fälschen“ darf 😉
Ich glaube es ist einfach dem Umstand der Privatisierung der Post geschuldet. Und die Briefmarken im Wikipedia Streit waren ja wohl neueren Datums.
Solange die Post ein staatliches Unternehmen war, vielen die Briefmarken wohl unter das amtliche Werk. Dafür spricht, das die Briefmarken damals glaub ich noch in einer Art Amtsblatt veröffentlich wurden. Mit diesem Schritt wurden sie dann ein „amtliches Werk“. Das ist ja heute nicht mehr und damit veräußert der Urheber auch nur das einfache Verwertungsrecht an die Post. Das heißt, jegliche weitere Verwertung ist erneut lizenzpflichtig. Und bei solchen Sonderbriefmarken (wie Lorio) wird die Lizenzierung beim Urheber wahrscheinlich sogar noch an die Auflage (sprich, die Post darf die auch nicht beliebig nachdrucken) geknüpft sein.
Noch vergessen: DDR Briefmarken sind wieder eine ganz andere Baustelle und hier ist es wahrscheinlich noch komplizierter. Denn hier müsste wohl auch das damalige Urhebrrecht der DDR mit einbezogen werden bzw. wie dieses bei der Wende in Bundesrecht aufgegangen ist. Ich wüsste jetzt nicht, ob Briefmarken damals in der DDR auch „amtliche Werke“ (bzw. wie sie in den dortigen Gesetzen hießen) gewesen sind.
Danke für den Hinweis. Mal abwarten, ob sich dazu mal ein Anwalt oder die Post selber äußert…
Je länger ich drüber nachdenke, desto logischer ist das mit den Briefmarken eigentlich auch. Ich komme ja aus dem Fotosektor und dort ist es auch nicht so unnormal, das Bildmaterial für Briefmarken lizenziert werden. Dafür gibt es in der MFM-Preisliste sogar eine eigene Tabelle (z.B. 50 Mio Auflage = 1790 €).
Die Post bietet ja auch individuelle Briefmarken an mit eigenen Motiven an. Nur, weil man dieses Angebot nutzt (oder z.B. Unternehmen), kann ja nicht automatisch jeder dies als Bildmaterial einfach nutzen. Genauso ist das ja auch, wenn ich als Fotograf oder eine Agentur das Bildmaterial für die Verwendung als Briefmarke lizenziert. Zumindest ist das heutzutage ja alles so. Damals musste man sich als Urheber mit dem Umstand des amtlichen Werkes wohl abfinden, bzw. waren die Motivkosten für die Post wesentlich höher als heute (um einfach die „Nachnutzung“ irgendwie mit abzudecken). Eventuell hat die Post damals die Motive auch selbst „anfertigen“ lassen (deshalb sind es meist auch „Zeichnungen“). Die heutigen Briefmarken haben ja meist einen fotografischen Bezug und die werden (die Post als privates Unternehmen muss ja jetzt wirtschaftlich denken) aus Stock-Archiven lizenziert.
Auch wenn es für so eine Seite natürlich nicht schön ist: Die Argumentation der Urheber und des Gerichts ist für mich soweit schon plausibel. Auch die unterschiedlichen Urteile aus München und Berlin.
interessante Überlegung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Urheber einer Briefmarke mit 50 Mio Auflage nur 1790 Eur erhält. Das wäre ja wahnsinnig wenig. Aber ich habe keine Ahnung, was da wirklich fließt.
Klar ist die Überlegung der Urheberschaft plausibel, ohne Frage sind Briefmarken künstlerische Artefacte. Es geht ja letztlich um die Frage der Nutzungsrechte. Und da bin ich der Meinung, dass die Argumentation, dass es sich um „allgemeines Kulturgut“ des Staates oder so handelt, die die Post von vorne herein von den den Künstlern erwerben müsste. Die Gemeinfreiheit müsste also im Kaufpreis inbegriffen sein – auch bei individuellen Marken.
Aber letztlich ist das alles Spekulation und Laienmeinung. Danke fürs Mitdenken 🙂
Ok, ich habe gerade noch mal in der Liste der Bildhonorare der MFM nachgeschaut: Dort richten sich fast überall die Preise nach der Auflage, bei Briefmarken jedoch nicht, sondern nach der Einwohnerzahl. Meine Angabe mit der 50 Mio Auflage ist daher absoluter Mist.
Bei Briefmarken richtet sich der Preis hauptsächlich nach der Einwohnerzahl des Landes (was auch recht interessant ist). Für Deutschland würde eine Bildlizenz als 2300 Euro kosten.
MFM = Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing, die jedes Jahr eine Übersicht der marktüblichen Vergütungen für Bildnutzungsrechte herausgibt.
Hallo
Sehr interessantes Thema und auch ich hätte ein Problem mit meinen Briefmarkenwebseiten. Denke aber in der Praxis wird dies nicht umsetzbar und einklagbar sein. Wie würde der Michelkatalog aussehen,wie die Ebay Webseite es macht sich doch niemand die Mühe jeden einzelnen Entwerfer anzufragen zumal eh schon jede Menge gestorben sind würde mir in der Hinsicht keine Sorgen und mit der Webseite weitermachen. Ein frohes Fest wünscht Frank
Hallo,
viele gute Argumente und Gegenargumente – nur die zählen ja nicht vor Gericht, da ja laut jüngstem Urteil nur Sprachwerke amtliche Werke sein können und als solche gemeinfrei seinen (Loriot-Breifmarken Urteil vom 27. März 2012, Berlin). Man kann aber auch nachschauen, wie es staatliche Ämter / Organisationen selbst halten und begründen, denn die haben ja auch Webseiten. Für die Gemeinfreiheit von DDR-Briefmarken und von der Deutschen Post AG im Auftrag des BMF verausgabten Briefmarken, siehe hier: http://www.wsd-nord.wsv.de/Service/Sehenswertes/Leuchttuerme/LT_u_Briefmarken/index.html Das Impressum der Seite sollte weitere Informationen liefern, da die Wasser und Schifffahrtsverwaltung des Bundes ganz sicher gute und teure Rechtsberater hat. Ausserdem könnte man ja auch mal bei denen nachfragen, wie sie ihre Abbildungen im Lichte des Loriot-Urteils begründen. -Grüsse
Vielen Dank für die Hinweise. Ich habe das Projekt erst einmal auf Eis gelegt und warte ab. Ich hoffe, dass es demnächst dazu mal eine klärende Stellungnahme gibt, von wem auch immer.
Die Leute die im Internet Angst verbreiten, meinen es ja nicht beöse, dennoch ist es falsch denn sie befördern damit die Angst und die vielen Verbrechen im Gewand des Urheberrechts. Wenn Ich eine Briefmarke oder ein Auto oder was auch immer habe, dann kann ich das im öffentlich darstellen. Wer sich dem in den Weg stellt, den fegt die Bewegung weg.
Hallo allerseits,
da ich gerade auch auf der Suche nach den Kontaktdaten für Beat Knoblauch und Paul Beer bin, weil ich die Symphonie Briefmarke von 1975 in einer Ausstellung veröffentlichen will weiß ich, dass man sich bei solchen Fragen unter anderen auch an das Bundesministerium für Finanzen wenden muss!